Generationenkonflikt
Deutschland altert. Weil nur noch jeder 14. bis zum Erreichen des Rentenalters arbeitet, musste jetzt eine so genannte Rentengarantie her. Aber was ist schon eine Garantie ohne Garantieschein? Auch wenn die große Mehrheit des Bundestages diese Garantie in Gesetzesform gegossen hat, ist sie weniger wert, als jede Urkunde, die einem neuen Haarföhn beiliegt. Deshalb darf man wohl getrost von Taktik statt von langfristiger Perspektive reden. 20 Millionen Wähler sind eben ein starkes Argument.
Wie kann die Alterssicherung der Zukunft aussehen? Die meisten jungen Menschen haben sich jedenfalls längst von der Idee verabschiedet, im Alter von der staatlichen Rente leben zu können. Im Gegensatz dazu geht es der heutigen Rentnergeneration so gut wie keiner vor ihr. Wird der Generationenvertrag der Adenauer-Ära zum Generationenkonflikt mit den künftigen Beitragszahlern? Nachfolgend stellen wir brennende Fragen und liefern zugleich die Antworten, um vielleicht doch Erhellendes zur eher vernebelten Debatte über die Generationengerechtigkeit beizutragen.
Deutschland hat einen dynamischen Übergang zur "Rente mit 67" beschlossen. Heißt das, dass wir wirklich bis 67 arbeiten müssen?
Kaum ein Arbeitnehmer in Deutschland bleibt bis zum 65. Geburtstag im Job. Nur jeder 14. im Alter von 63 bis 65 Jahre hat noch eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitstelle. Demnach sinkt die Beschäftigungsquote, also der Anteil der Menschen mit einem Vollzeitjob, rapide ab Mitte 50. In der Altersklasse 55 bis 58 stehen 39,4 Prozent voll im Berufsleben. Bei den 58- bis 63-Jährigen sinkt die Quote auf 26,6 Prozent, in der Altersklasse darüber auf nur noch 7,4 Prozent. Diese Daten stammen vom August 2008, also aus einer Zeit, in der die Krise am Arbeitsmarkt noch kaum zu spüren war. Seitdem verschärft sich die Situation.
Also doch ein klarer Fall von versteckter Rentenkürzung?
Im Prinzip schon. Das Renteneintrittsalter wird vom Jahre 2012 an bis zum Jahre 2029 stufenweise erhöht. Faktisch findet hiermit eine Rentenkürzung statt, die aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung der Rentner als unvermeidbar gilt. Die Rente mit 67 Jahren beginnt für alle Personen, die 1964 oder später geboren wurden. Wer früher in Rente geht, muss Abschläge akzeptieren von 0,3 Prozent je Monat des Rentenbezugs. Nur wer mindestens 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt hat, darf auch weiterhin mit 65 Jahren die volle Rentenzahlung kassieren. Wer aber mit 60 Jahren in Rente geht, muss Abschläge von 18 Prozent hinnehmen, mit 62 Jahren sind es 10,8 Prozent und mit 63 Jahren noch 7,2 Prozent. Zudem muss der Verlust von Beitragspunkten hinzuaddiert werden, die der (Früh-)Rentner noch erwerben würde, wenn er weitergearbeitet und damit Beiträge gezahlt hätte. Sonderregelungen gelten für Bergleute, Schwerbehinderte und vermindert Erwerbsfähige.
Heißt das, dass die Finanzierungsgrundlagen unseres sozialen Sicherungssystems verschwunden sind?
Verschwunden vielleicht nicht gerade, wohl aber nachhaltig gestört. Sicher ist, dass wir einer demographischen Entwicklung ausgesetzt sind, die sich schwerlich und vor allem auch schnell umkehren lässt. Drei Faktoren wirken sich stark auf die Finanzierungsgrundlagen unseres sozialen Sicherungssystems aus. Das ist das spätere Berufseintrittsalter, die kürzere Lebensarbeitszeit und die längere Lebenserwartung. Das gesetzliche Rentensystem wird auf Dauer allein die Last nicht ausreichend tragen können. Schon heute fließen 80 Milliarden des 260 Milliarden Euro umfassenden Bundeshaushalts in die Rentenkasse. Jeder vierte Steuer-Euro wird also direkt an die Rentner gezahlt.
Das heißt, andere Finanzierungsmodelle müssen her?
Denkbar wäre auch eine Fortschreibung des jetzigen Rentensystems – allerdings mit Anpassungen. Denkbar sind auch andere Finanzierungsmodelle, wie kapitalgedeckte Formen. Diese sind allerdings sehr inflationsanfällig, wie die gegenwärtige Krise zeigt. Deshalb ist eine zumindest teilweise Umlagefinanzierung der Rentenversicherung sinnvoll. Der Umstieg ist nicht möglich, ohne eine Generation doppelt zu belasten. Die jüngere Generation müsste einerseits die Renten für die heutige Rentnergeneration aufbringen, andererseits müsste sie sich ihre eigenen Renten selbst ansparen. Welche Partei will das der heutigen Jugend glaubhaft vermitteln, ohne nachhaltig Schaden zu nehmen? Dieser Umstand reicht also aus, um den Vorschlag abzulehnen. Zudem enthält das Kapitaldeckungsverfahren überhaupt keine sozialen Elemente. Da jeder für sich selber spart, entfällt jede Umverteilung zwischen Reich und Arm und zwischen Männern und Frauen, die eine deutlich höhere Lebenserwartung haben. Ein Systemwechsel würde also die Generationengerechtigkeit des Rentensystems nicht erhöhen.
Gilt die Generationengerechtigkeit überhaupt noch, wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht?
Das ist gerade der Knackpunkt. Über Gerechtigkeit zu reden, heißt Gerechtigkeit empfinden. Weil Empfindungen aber unterschiedlich wahrgenommen werden, musste ein Vertrag her: Der so genannte "Generationenvertrag", der aber leider nicht mehr reibungslos funktioniert. Kurz gesagt: Die Jungen finanzieren die Alten. Das funktionierte bislang nach einem einfachen Prinzip – dem Umlageverfahren. Das heißt: Die erwerbstätigen Arbeiter und Angestellten zahlen in die Rentenkasse Beiträge ein. Das Geld wird aber keineswegs angespart, sondern sofort wieder an die Rentner ausgeschüttet. Die Beitragszahler erwerben aber für ihr Alter Rentenansprüche, die dann von der nächsten Generation der Erwerbstätigen eingelöst werden sollen.
Das klingt reichlich verstaubt. Die junge Generation diskutiert heftig über die Zukunft des Landes. Viele haben keine Lust, eines Tages kinderlose Rentner durchzufüttern.
Genau hier steckt ein weiteres Kernproblem: Dieses System funktionierte nur so lange reibungslos, wie genügend Junge nachwachsen. Konrad Adenauer setzte noch auf die Stabilität des Generationenvertrages, weil er glaubte: "Kinder kriegen die Leute sowieso." Zu Adenauers Zeit stimmte das, heute aber nicht mehr. Deshalb hat Deutschland ein demographisches Problem, das sich in den nächsten Jahrzehnten gravierend verschärfen wird: Immer weniger Junge werden künftig die Renten von immer mehr Älteren finanzieren müssen. 1995 kamen auf 100 Beitragszahler gut 40 Rentner, im Jahre 2005 waren es bereits 55 und 2035 werden es etwa 80 sein.
Wenn wir schon bei Zahlen sind: Wie lange werden im Schnitt Renten gezahlt?
In Deutschland nimmt die Lebenserwartung zu. Deshalb beziehen ältere Menschen auch länger Rente. 1960 betrug die durchschnittliche Rentenbezugszeit etwa zehn Jahre. Bereits 1996 waren es im Schnitt 15,9 Jahre, heute sind es 17. Da die Lebenserwartung weiter steigt, wird sich aller Voraussicht nach auch die Rentenbezugsdauer in den nächsten Jahrzehnten noch um einige Jahre erhöhen. Bereits in 30 Jahren droht Millionen Menschen Altersarmut, weil sich die Zahl der Rentner im Verhältnis zu den Arbeitenden fast verdoppelt. Eine Gesellschaft, die nicht spart und keine Kinder hat, muss im Alter hungern.
Und wie geht es den Rentnern heute? Immer wieder wird behauptet, dass es noch keiner Rentnergeneration besser ging als der heutigen.
Ja das stimmt. Den rund 20 Millionen Rentnern geht es offenbar deutlich besser als vielfach behauptet. Wissenschaftler vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung haben ermittelt, dass die Senioren von heute mehr Geld ausgeben können als viele Ehepaare und Alleinerziehende. Im Vergleich zu Alleinerziehenden mit Kindern sind es mehrere tausend Euro im Jahr. Das verfügbare Einkommen eines Rentnerpaares beträgt im Schnitt 20.218 Euro jährlich. Das sind 4,6 Prozent mehr als der Durchschnitt hat. Nur 11,6 Prozent der Rentner gelten als arm, das ist deutlich weniger als der Durchschnitt der anderen Bürger (17,4 Prozent in West- und 22,4 Prozent in Ostdeutschland). Den Ruheständlern geht es demnach erheblich besser als Familien mit Kindern und Alleinerziehenden. Die Senioren haben bis zu 10.621 Euro pro Jahr mehr zur Verfügung. Und schließlich verfügen die über 65-Jährigen über ein durchschnittliches Netto-Vermögen von rund 100.000 Euro.
Man ist versucht, von einer Generationenungerechtigkeit zu sprechen. Wie funktioniert die Rente eigentlich in anderen Ländern?
Bei genauerem Hinsehen sind die Lebenssituationen der Rentner doch sehr unterschiedlich. Es gibt viele Rentner, die keineswegs knapp bei Kasse sind, und es gibt viele, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen. Entsprechend unterschiedlich ist auch die Positionierung, wenn man Rentner nach ihrem Lebensstandard befragt. Es gibt einige gute Rentenreformansätze in anderen Ländern, dennoch ist es schwierig, Modelle eines Landes auf ein anderes zu übertragen. Auch kann es gerade bei einem so komplexen Vorsorgesystem wie der Alterssicherung Jahrzehnte brauchen, bis eine Umstellung abgeschlossen ist. In den meisten OECD-Ländern (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) liegt die Regelaltersgrenze bei 65 Jahren. In Island und Norwegen beträgt das Regelrentenalter bereits 67 Jahre und in den Vereinigten Staaten wird sie auf 67 Jahre angehoben. Eine sehr familienfreundliche Idee in der Rentenpolitik kommt aus Frankreich. Hier erfolgt eine Rentenerhöhung um 10 Prozent bei Erziehungszeiten ab dem dritten Kind, wodurch eine starke Familienförderung stattfindet. Aus den Niederlanden kommt eine "Stärkung mindestsichernder Elemente" wie einer Grundrente, die allen Einwohnern, unabhängig von ihrem Einkommen aus der Pflichtversicherung zukommt. Zusätzlich sind alle Rentenleistungen in den Niederlanden voll steuerpflichtig.
Soll das ein Aufruf an die junge Generation sein, das Land zu verlassen und sich in jene Länder niederzulassen, die eine bessere Familienpolitik fahren? Unter vielen Jüngeren ist die Stimmung verbreitet: Was wollen wir noch in Deutschland?
Auf jeden Fall sollte man dies nicht auf die leichte Schulter nehmen. Einen "Krieg der Generationen" will niemand, nicht in der Politik noch in der Öffentlichkeit. Nur sieben Prozent der Deutschen sind der Auffassung, dass die Rentner zu viel Einfluss auf Politik und Gesellschaft haben. Das ergab eine repräsentative Umfrage von Infratest dimap.
Müssen die Jungen die Rentner-Demokratie fürchten und könnte es bald soweit sein, dass die Alten die Jungen schröpfen?
Unstrittig ist, dass der politische Einfluss der Älteren allein durch die demographische Entwicklung zunehmen wird. Schon bei der Bundestagswahl im September werden mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten über 60 Jahre sein. Diese Gruppe hat auch noch eine deutlich höhere Wahlbeteiligung als die Jüngeren.
Damit sind die Alten eine doppelte Macht. Ihre Anzahl nimmt zu und sie wählen öfter.
Ja das ist richtig. Auch die Zusammensetzung des Bundestags ist letztlich ein Abbild der Gesellschaft. In der CDU ist der Anteil der über 60-Jährigen von 29,2 Prozent im Jahr 1990 auf heute 48 Prozent gewachsen. In der SPD liegt diese Altergruppe jetzt bei 46,7 Prozent. Noch älter sind im Schnitt nur die Mitglieder der Linkspartei. Im Bundestag gibt es deshalb eine kleine, aber wachsende Gruppe, die für ein so genanntes Eltern- oder Kinderwahlrecht plädiert. Zur Umsetzung des Elternwahlrechtes gibt es mehrere Modelle. Eines davon sieht vor, dass die Eltern für ihre Kinder abstimmen können, ein anderes gibt Jugendlichen über 15 Jahren ein Teilwahlrecht. Wichtiger als die genaue Ausgestaltung ist aber die Grundsatzentscheidung, dass Kinder in unserer Demokratie auch ein Wahlrecht haben und ihre Stimmen in die Waagschale werfen können. Dazu müsste theoretisch noch nicht einmal das Grundgesetz geändert werden. Eine einfache Mehrheit im Parlament reicht.
Wie kann die Alterssicherung der Zukunft aussehen? Die meisten jungen Menschen haben sich jedenfalls längst von der Idee verabschiedet, im Alter von der staatlichen Rente leben zu können. Im Gegensatz dazu geht es der heutigen Rentnergeneration so gut wie keiner vor ihr. Wird der Generationenvertrag der Adenauer-Ära zum Generationenkonflikt mit den künftigen Beitragszahlern? Nachfolgend stellen wir brennende Fragen und liefern zugleich die Antworten, um vielleicht doch Erhellendes zur eher vernebelten Debatte über die Generationengerechtigkeit beizutragen.
Deutschland hat einen dynamischen Übergang zur "Rente mit 67" beschlossen. Heißt das, dass wir wirklich bis 67 arbeiten müssen?
Kaum ein Arbeitnehmer in Deutschland bleibt bis zum 65. Geburtstag im Job. Nur jeder 14. im Alter von 63 bis 65 Jahre hat noch eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitstelle. Demnach sinkt die Beschäftigungsquote, also der Anteil der Menschen mit einem Vollzeitjob, rapide ab Mitte 50. In der Altersklasse 55 bis 58 stehen 39,4 Prozent voll im Berufsleben. Bei den 58- bis 63-Jährigen sinkt die Quote auf 26,6 Prozent, in der Altersklasse darüber auf nur noch 7,4 Prozent. Diese Daten stammen vom August 2008, also aus einer Zeit, in der die Krise am Arbeitsmarkt noch kaum zu spüren war. Seitdem verschärft sich die Situation.
Also doch ein klarer Fall von versteckter Rentenkürzung?
Im Prinzip schon. Das Renteneintrittsalter wird vom Jahre 2012 an bis zum Jahre 2029 stufenweise erhöht. Faktisch findet hiermit eine Rentenkürzung statt, die aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung der Rentner als unvermeidbar gilt. Die Rente mit 67 Jahren beginnt für alle Personen, die 1964 oder später geboren wurden. Wer früher in Rente geht, muss Abschläge akzeptieren von 0,3 Prozent je Monat des Rentenbezugs. Nur wer mindestens 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt hat, darf auch weiterhin mit 65 Jahren die volle Rentenzahlung kassieren. Wer aber mit 60 Jahren in Rente geht, muss Abschläge von 18 Prozent hinnehmen, mit 62 Jahren sind es 10,8 Prozent und mit 63 Jahren noch 7,2 Prozent. Zudem muss der Verlust von Beitragspunkten hinzuaddiert werden, die der (Früh-)Rentner noch erwerben würde, wenn er weitergearbeitet und damit Beiträge gezahlt hätte. Sonderregelungen gelten für Bergleute, Schwerbehinderte und vermindert Erwerbsfähige.
Heißt das, dass die Finanzierungsgrundlagen unseres sozialen Sicherungssystems verschwunden sind?
Verschwunden vielleicht nicht gerade, wohl aber nachhaltig gestört. Sicher ist, dass wir einer demographischen Entwicklung ausgesetzt sind, die sich schwerlich und vor allem auch schnell umkehren lässt. Drei Faktoren wirken sich stark auf die Finanzierungsgrundlagen unseres sozialen Sicherungssystems aus. Das ist das spätere Berufseintrittsalter, die kürzere Lebensarbeitszeit und die längere Lebenserwartung. Das gesetzliche Rentensystem wird auf Dauer allein die Last nicht ausreichend tragen können. Schon heute fließen 80 Milliarden des 260 Milliarden Euro umfassenden Bundeshaushalts in die Rentenkasse. Jeder vierte Steuer-Euro wird also direkt an die Rentner gezahlt.
Das heißt, andere Finanzierungsmodelle müssen her?
Denkbar wäre auch eine Fortschreibung des jetzigen Rentensystems – allerdings mit Anpassungen. Denkbar sind auch andere Finanzierungsmodelle, wie kapitalgedeckte Formen. Diese sind allerdings sehr inflationsanfällig, wie die gegenwärtige Krise zeigt. Deshalb ist eine zumindest teilweise Umlagefinanzierung der Rentenversicherung sinnvoll. Der Umstieg ist nicht möglich, ohne eine Generation doppelt zu belasten. Die jüngere Generation müsste einerseits die Renten für die heutige Rentnergeneration aufbringen, andererseits müsste sie sich ihre eigenen Renten selbst ansparen. Welche Partei will das der heutigen Jugend glaubhaft vermitteln, ohne nachhaltig Schaden zu nehmen? Dieser Umstand reicht also aus, um den Vorschlag abzulehnen. Zudem enthält das Kapitaldeckungsverfahren überhaupt keine sozialen Elemente. Da jeder für sich selber spart, entfällt jede Umverteilung zwischen Reich und Arm und zwischen Männern und Frauen, die eine deutlich höhere Lebenserwartung haben. Ein Systemwechsel würde also die Generationengerechtigkeit des Rentensystems nicht erhöhen.
Gilt die Generationengerechtigkeit überhaupt noch, wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht?
Das ist gerade der Knackpunkt. Über Gerechtigkeit zu reden, heißt Gerechtigkeit empfinden. Weil Empfindungen aber unterschiedlich wahrgenommen werden, musste ein Vertrag her: Der so genannte "Generationenvertrag", der aber leider nicht mehr reibungslos funktioniert. Kurz gesagt: Die Jungen finanzieren die Alten. Das funktionierte bislang nach einem einfachen Prinzip – dem Umlageverfahren. Das heißt: Die erwerbstätigen Arbeiter und Angestellten zahlen in die Rentenkasse Beiträge ein. Das Geld wird aber keineswegs angespart, sondern sofort wieder an die Rentner ausgeschüttet. Die Beitragszahler erwerben aber für ihr Alter Rentenansprüche, die dann von der nächsten Generation der Erwerbstätigen eingelöst werden sollen.
Das klingt reichlich verstaubt. Die junge Generation diskutiert heftig über die Zukunft des Landes. Viele haben keine Lust, eines Tages kinderlose Rentner durchzufüttern.
Genau hier steckt ein weiteres Kernproblem: Dieses System funktionierte nur so lange reibungslos, wie genügend Junge nachwachsen. Konrad Adenauer setzte noch auf die Stabilität des Generationenvertrages, weil er glaubte: "Kinder kriegen die Leute sowieso." Zu Adenauers Zeit stimmte das, heute aber nicht mehr. Deshalb hat Deutschland ein demographisches Problem, das sich in den nächsten Jahrzehnten gravierend verschärfen wird: Immer weniger Junge werden künftig die Renten von immer mehr Älteren finanzieren müssen. 1995 kamen auf 100 Beitragszahler gut 40 Rentner, im Jahre 2005 waren es bereits 55 und 2035 werden es etwa 80 sein.
Wenn wir schon bei Zahlen sind: Wie lange werden im Schnitt Renten gezahlt?
In Deutschland nimmt die Lebenserwartung zu. Deshalb beziehen ältere Menschen auch länger Rente. 1960 betrug die durchschnittliche Rentenbezugszeit etwa zehn Jahre. Bereits 1996 waren es im Schnitt 15,9 Jahre, heute sind es 17. Da die Lebenserwartung weiter steigt, wird sich aller Voraussicht nach auch die Rentenbezugsdauer in den nächsten Jahrzehnten noch um einige Jahre erhöhen. Bereits in 30 Jahren droht Millionen Menschen Altersarmut, weil sich die Zahl der Rentner im Verhältnis zu den Arbeitenden fast verdoppelt. Eine Gesellschaft, die nicht spart und keine Kinder hat, muss im Alter hungern.
Und wie geht es den Rentnern heute? Immer wieder wird behauptet, dass es noch keiner Rentnergeneration besser ging als der heutigen.
Ja das stimmt. Den rund 20 Millionen Rentnern geht es offenbar deutlich besser als vielfach behauptet. Wissenschaftler vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung haben ermittelt, dass die Senioren von heute mehr Geld ausgeben können als viele Ehepaare und Alleinerziehende. Im Vergleich zu Alleinerziehenden mit Kindern sind es mehrere tausend Euro im Jahr. Das verfügbare Einkommen eines Rentnerpaares beträgt im Schnitt 20.218 Euro jährlich. Das sind 4,6 Prozent mehr als der Durchschnitt hat. Nur 11,6 Prozent der Rentner gelten als arm, das ist deutlich weniger als der Durchschnitt der anderen Bürger (17,4 Prozent in West- und 22,4 Prozent in Ostdeutschland). Den Ruheständlern geht es demnach erheblich besser als Familien mit Kindern und Alleinerziehenden. Die Senioren haben bis zu 10.621 Euro pro Jahr mehr zur Verfügung. Und schließlich verfügen die über 65-Jährigen über ein durchschnittliches Netto-Vermögen von rund 100.000 Euro.
Man ist versucht, von einer Generationenungerechtigkeit zu sprechen. Wie funktioniert die Rente eigentlich in anderen Ländern?
Bei genauerem Hinsehen sind die Lebenssituationen der Rentner doch sehr unterschiedlich. Es gibt viele Rentner, die keineswegs knapp bei Kasse sind, und es gibt viele, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen. Entsprechend unterschiedlich ist auch die Positionierung, wenn man Rentner nach ihrem Lebensstandard befragt. Es gibt einige gute Rentenreformansätze in anderen Ländern, dennoch ist es schwierig, Modelle eines Landes auf ein anderes zu übertragen. Auch kann es gerade bei einem so komplexen Vorsorgesystem wie der Alterssicherung Jahrzehnte brauchen, bis eine Umstellung abgeschlossen ist. In den meisten OECD-Ländern (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) liegt die Regelaltersgrenze bei 65 Jahren. In Island und Norwegen beträgt das Regelrentenalter bereits 67 Jahre und in den Vereinigten Staaten wird sie auf 67 Jahre angehoben. Eine sehr familienfreundliche Idee in der Rentenpolitik kommt aus Frankreich. Hier erfolgt eine Rentenerhöhung um 10 Prozent bei Erziehungszeiten ab dem dritten Kind, wodurch eine starke Familienförderung stattfindet. Aus den Niederlanden kommt eine "Stärkung mindestsichernder Elemente" wie einer Grundrente, die allen Einwohnern, unabhängig von ihrem Einkommen aus der Pflichtversicherung zukommt. Zusätzlich sind alle Rentenleistungen in den Niederlanden voll steuerpflichtig.
Soll das ein Aufruf an die junge Generation sein, das Land zu verlassen und sich in jene Länder niederzulassen, die eine bessere Familienpolitik fahren? Unter vielen Jüngeren ist die Stimmung verbreitet: Was wollen wir noch in Deutschland?
Auf jeden Fall sollte man dies nicht auf die leichte Schulter nehmen. Einen "Krieg der Generationen" will niemand, nicht in der Politik noch in der Öffentlichkeit. Nur sieben Prozent der Deutschen sind der Auffassung, dass die Rentner zu viel Einfluss auf Politik und Gesellschaft haben. Das ergab eine repräsentative Umfrage von Infratest dimap.
Müssen die Jungen die Rentner-Demokratie fürchten und könnte es bald soweit sein, dass die Alten die Jungen schröpfen?
Unstrittig ist, dass der politische Einfluss der Älteren allein durch die demographische Entwicklung zunehmen wird. Schon bei der Bundestagswahl im September werden mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten über 60 Jahre sein. Diese Gruppe hat auch noch eine deutlich höhere Wahlbeteiligung als die Jüngeren.
Damit sind die Alten eine doppelte Macht. Ihre Anzahl nimmt zu und sie wählen öfter.
Ja das ist richtig. Auch die Zusammensetzung des Bundestags ist letztlich ein Abbild der Gesellschaft. In der CDU ist der Anteil der über 60-Jährigen von 29,2 Prozent im Jahr 1990 auf heute 48 Prozent gewachsen. In der SPD liegt diese Altergruppe jetzt bei 46,7 Prozent. Noch älter sind im Schnitt nur die Mitglieder der Linkspartei. Im Bundestag gibt es deshalb eine kleine, aber wachsende Gruppe, die für ein so genanntes Eltern- oder Kinderwahlrecht plädiert. Zur Umsetzung des Elternwahlrechtes gibt es mehrere Modelle. Eines davon sieht vor, dass die Eltern für ihre Kinder abstimmen können, ein anderes gibt Jugendlichen über 15 Jahren ein Teilwahlrecht. Wichtiger als die genaue Ausgestaltung ist aber die Grundsatzentscheidung, dass Kinder in unserer Demokratie auch ein Wahlrecht haben und ihre Stimmen in die Waagschale werfen können. Dazu müsste theoretisch noch nicht einmal das Grundgesetz geändert werden. Eine einfache Mehrheit im Parlament reicht.
Nachrichten Gran Canaria Kanaren
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen